2. Dezember, 2023
Christoph Maria Wagner, künstlerischer Leiter
Martin von der Heydt, Klavier
Delphine Roche, Flöte
Anja Schmiel, Oboe
Yoshiki Matsuura, Posaune
Michael Pattman, Schlagzeug
Joachim Striepens, Klarinette
Kalina Kolarova, Violine
Burkart Zeller, Violoncello
Petteri Waris, Akkordeon
Leon Focker, Textprojektion
Robert Schneider, Tonmeister
Die Komposition exponiert zunächst die Psychose, in einer Art Nachtstück formulieren sich Albträume. Auf dem akustischen Höhepunkt bricht „Wahnsinn“ aus, gefolgt von Zusammenbruch, Stille, dem Bekennen der Taten. Alles läuft auf das Zitat des Wehrmachtssoldaten Reinhard G. zu, welches dem hier uraufgeführten Opus den Titel verlieh. Eres Holz‘ vom Deutschlandfunk beauftragte Ensemblemusik „Ein Mensch erkennt, dass er nie Mensch war“ ist von Svenja Goltermanns Publikation „Die Gesellschaft der Überlebenden“ inspiriert, die den Fokus auf deutsche Kriegs- und Lagerheimkehrer legt. Das Stück wurde jüngst vom E-MEX Ensemble beim Forum neuer Musik 23 „In der deutschen Nachkriegszeit“ uraufgeführt. Der Komponist will mit seinem Stück Spuren kriegerischer Gewalterfahrung in der menschlichen Psyche erforschen. Eres Holz, 1977 in Rechovot nahe Tel Aviv geboren, interessiert an diesem Sujet der doppelte Blick, dass die Täter zugleich auch Opfer und psychisch Beschädigte sein können.
   
Klänge von verstörender Schönheit benennen Unsägliches, Unvorstellbares: Sanft klagende Holzbläserlinien stehen im Raum, vereinigen sich mit Akkordeon, Cello und Violine zu dichten Klangflächen, unmerklich in elektronischer Weiterführung erstarrend. Bedrohliche Untertöne fügen Klavierbass, Schlagzeug und gestopfte Posaune hinzu, harte Akzente, die zum Schluss in Fortissimo-Schläge ausarten, die zusammenzucken lassen. Chaos ist die Folge, Zerfall, in dem nur ein mikrotonales Wimmern bleibt. Eres Holz komponiert die Psychose, die Paranoia, die Orientierungslosigkeit, den Sinnverlust. Sein vom Deutschlandfunk in Auftrag gegebenes […] Werk für neun Instrumente, Elektronik und Textprojektion thematisiert Gewalterfahrungen von Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg.
Forum neuer Musik 2023
NZM - Neue Zeitschrift für Musik
#1_2024
Nachkriegsmusik beim „Forum neuer Musik“ des Deutschlandfunk Köln
Holz verharmlost nicht die Verbrechen, sondern vermittelt eine zu allen Zeiten nötigen humane Botschaft: Statt in starre Freund-Feind-Schemata zu verfallen, müssen wir zu verstehen versuchen, warum jemand anders ist, denkt und handelt. Denn das ist eine Voraussetzung für Demokratie, Freiheit und Frieden.
Dezember 2023
Das hat mein Heimatgefühl hierzulande tief verletzt
Der israelisch-deutsche Komponist Eres Holz über Terror, Trauma, Teilnahmslosigkeit
[...] Ich wünschte, die Menschen, besonders diejenigen, die nicht direkt in dem Israelisch-Palästinensischen Konflikt involviert sind, würden sich wirklich um den Frieden zwischen Israelis und Palästinensern bemühen und in dieser furchtbaren Zeit gemeinsam mit ihnen hoffen, Zuneigung zeigen, anstatt nur eine Seite zu bevorzugen, während die andere noch ihre Toten beerdigt.
Dezember 2023